Was ist systemorientierte Tiermedizin?
Systemorientierte Tiermedizin baut auf der Systemtheorie auf
Systemorientierte Tiermedizin geht davon aus, dass Gesundheit durch seine thermodynamischen Eigenschaften definiert ist (Details). Dadurch arbeitet sie gerichtet auf dieses Ziel hin und betrachtet Symptome als Hinweise, die jedoch nicht primär behandelt werden. Sie berücksichtigt die komplexe Struktur und Anpassungsfähigkeit biologischer Organismen und sozialer Systeme. Aus der Systemtheorie hat sich hierfür der Begriff des komplexen adaptiven Systems (KAS) eingebürgert. Im medizinischen Kontext treten die bisher betrachteten statischen Zustände in den Hintergrund und man befasst sich vor allem mit deren Dynamik. KAS weisen zyklisches Verhalten auf, Beispiele hierfür sind der Tag-Nacht-Rhythmus, saisonaler Fellwechsel u.v.m. In einem biologischen Organismus gibt es viele Sub- und Übersysteme, deren Zyklen aufeinander abgestimmt sein müssen. Solche Systeme sind anpassungsfähig, da sie aufgrund äusserer Einflüsse ihr Verhalten verändern können. Dies äußert sich in einem Lernprozess im weitesten Sinne und gilt sowohl für Individuen als auch für soziale Systeme. Wenn die Zyklen in KAS entkoppelt werden oder die Anpassungsfähigkeit eines Systems überfordert wird, entstehen Leistungseinbussen. Hält dieser Zustand an, kommt es zu Krankheit. Gesundheit ist also ein Meta-Zustand, gekennzeichnet durch harmonische, zyklische und gerichtete Dynamik innerhalb der natürlich vorbestimmten Grenzen eines biologischen Systems.
Tiere und soziale Gruppen sind komplexe adaptive Systeme (KAS)
Das Tier stellt als Organismus selbst ein KAS dar, das mit seinem direkten Umfeld (Halter, Familie, andere Haustiere, Gehege, Nahrung etc.) wieder ein System bildet. Beim Tierarztbesuch integriert sich der Tierarzt als Teil des sozialen Systems des Tieres, in dem er mit dem Halter und dem Tier interagiert. Seine Aufgabe ist, Entkopplungen und Überforderungen zu erkennen und den Lernprozess des Tier-Halter-Systems aufrecht und in physiologisch optimalen Grenzen zu halten. Bedingungen hierfür sind, dass er mehr erkennt als der Tierhalter und dass er über Methoden verfügt, mit denen er wieder in ein harmonisches Gleichgewicht herstellen kann.
Unter natürlichen Bedingungen halten sich Tiere selbst gesund
Ich gehe davon aus, dass in der Natur jedes Tier grundsätzlich in der Lage ist, sich selbst gesund zu erhalten. Wenn es dies in Menschenobhut nicht kann, so liegt der Ursprung des Problems in der Regel bei dieser. Um sich erfolgreich mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen reduziert der Mensch sie zu einer rational fassbaren Abbildung in seinem Hirn. Dies kann Konsequenzen für Organismen in seiner Obhut haben. Als Beispiel aus der Tierzucht hat die Reduktion der Milchkuh auf Milchleistungsparameter dazu geführt, dass ihre Anpassungsfähigkeit an die Umwelt gegenüber der Wildform wesentlich reduziert wurde. Dies äussert sich durch Hitzeintoleranz, Zitzen- oder Gelenksprobleme, die mittlerweile in Zuchtprogrammen wieder gegenkorrigiert werden. Tierzucht beeinflusst Tiere in sehr träger Weise indem die menschliche Selektion über Generationen hinweg Auswirkungen hat. Ein wesentlich unmittelbareres Beispiel wäre die Fehlernährung eines Jungtieres die zu Fehlstellungen oder Missbildungen führt. Je kürzer das Interval zwischen der menschlichen Handlung und deren Effekt ist, desto offensichtlicher sind diese Zusammenhänge.
Der Mensch bestimmt die Umwelt der Tiere
Im Praxisalltag bedeutet dies, dass der Tierhalter, der nach bestem Wissen und Gewissen handelt, feststellt, dass sein Handeln den Gesetzen der Natur nicht ganz gerecht wird. Ein ehrliches Gespräch ohne Schuldzuweisungen kann schon häufig Wunder bewirken und akute Probleme können medikamentös behandelt werden bis die Veränderung der Haltungsbedingungen wirksam wird.
Ein Problem existiert, sobald der Tierhalter eines wahrnimmt
Immer häufiger kommen Patienten in die Praxis, deren Probleme nach langen Abklärungen entweder einen unaussprechlichen Namen bekommen oder von der „wissenschaftlichen" Medizin gar nicht als Problem anerkannt werden. Die so genannten Lösungen führen zu einer immer eingeschränkteren Lebensweise wie zum Beispiel das Vermeiden von Allergenen, Lärm, Stress, o.ä., die unausweichlicher Teil unserer heutigen Realität sind. Um dieses Verhaltenskorsett etwas zu erleichtern, werden Medikamente verabreicht, die die zugrunde liegenden, natürlichen Reaktionen des Organismus unterdrücken.
Die Schulmedizin stösst an Grenzen
Auf der Suche nach einer Alternative zu dieser Verneinungshaltung habe ich mich mit verschiedenen alternativen Therapie- und Erklärungsmodellen befasst, die jedoch mit Ausnahme der traditionellen chinesischen Medizin keine alternative Erkenntnistheorie enthalten und somit denselben Problemen gegenüberstehen wie die Schulmedizin. Mir persönlich bietet nur der Daoismus, als Ursprung der fernöstlichen Kampf- und Heilkünste, Methoden, mit denen ich meine Subjektivität im medizinischen Alltag überwinden kann. Dadurch erhalte ich Zugang zu einer ganzheitlichen Wahrnehmung, die mir neue Therapieansätze erlaubt. Man kann dies dann den 6. Sinn oder Intuition nennen, die Daoisten nennen es den ursprünglichen Geist. Wie sein Name auch sei, handelt es sich um ein lern- und entwickelbares Wahrnehmungsvermögen, das sich sowohl diagnostisch als auch therapeutisch einsetzen lässt, wo rationelles Wissen und die fünf Sinne versagen. Dessen ungeachtet lässt sich die Wirkung der Methode mit den fünf Sinnen überprüfen. In Anlehnung an die traditionelle chinesische Medizin nenne ich es „Arbeit mit Qi" (氣, chinesisch "Qi", japanisch "Ki"). Gegenwärtig biete ich keine derartige Therapien an, und verweise Sie an kompetente Kollegen.
Weitere Dokumentation über Systemische Tiermedizin, Systemtheorie und Konstruktivismus
Hier trage ich fortwährend mehr Details zur Erkenntnistheorie, der Systemtheorie und dem aktuellen Stand der Wissenschaft im Bereich der unerklärten Phänomene des Lebens zusammen.
Downloads
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Einführung in die Arbeit mit Qi (pdf, 320KB) , Simon Ruegg 2008
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Gedanken zu einer systemorientierten Tiermedizin (pdf, 138KB), Simon Ruegg 2008
Links
Die folgenden Webseiten enthalten weitere interessante Informationen. Ich habe keinen Einfluss auf deren Inhalt und bin nicht unbedingt der gleichen Meinung. Der Verweis auf diese Links soll das Diskussionsfeld erweitern und ich lehne jegliche Haftung für deren Inhalte ab.
- Wikipedia: Systemtheorie, Kybernetik, Konstruktivismus, radikaler Konstruktivismus
- Vetostéo.ch, Dr. Mireille Piguet - empfehlenswerte Tierärztin und Osteopathin mit Weitsicht
Literaturhinweise
Weitere Literaturhinweise sind in den anderen Sprachen zu finden.
- Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften, Ian Hacking 1996, ISBN: 978-3150094426, Reclam Verlag.
- Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Paul Watzlawick 1976, ISBN: 978-3492201742, Piper Verlag.
- Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus, Fritz B. Simon 2006, ISBN: 978-3896705471, Carl-Auer-Systeme Verlag.
- Systemdenken in der Naturwissenschaft - von der Thermodynamik zur Allgemeinen Systemtheorie, Josef Schurz 2006, ISBN: 978-3896703644, Carl-Auer-Systeme Verlag.
- Ökologie des Geistes - anthropologische, phsychologische, biologische und epistemologische Perspektiven, Gregory Bateson 1985, ISBN: 978-3518281710, Suhrkamp Verlag.
- Tao-Tê-King von Lao-Tse, übersetzt von Günter Debon 1997, ISBN: 978-3150067987, Reclam Verlag.
- Das wahre Buch vom südlichen Blütenland von Dschuang Dsi, übersetzt von Richard Wilhelm 1969, ISBN: 978-3720530576, Diederichs.
- Apologie des Sokrates - Kriton von Platon, übersetzt von Manfred Fuhrmann 1987, ISBN: 978-3150008959, Reclam Verlag.
- Das Buch der Fünf Ringe von Miyamoto Musashi, übersetzt von Taro Yamada 2003, ISBN: 978-3492245364, Piper Verlag.
- Niederschrift von der Smaragdenen Felswand („Bi-Yän-Lu"), übersetzt von Wilhelm Gundert 2005, ISBN: 978-3865390318, Marix Verlag.
- Der siebte Sinn der Tiere, Rupert Sheldrake 2007, ISBN: 978-3596174966, Fischer Verlag.